Vorreiter in der beruflichen Rehabilitation für Suchtkranke
Eine Suchterkrankung entwickelt sich in der Regel über Jahre. Die psychische und körperliche Leistungsfähigkeit, aber auch das soziale, familiäre und berufliche Umfeld der Betroffenen verschlechtert sich. Trotzdem kommen die Betroffenen häufig aus der Entwöhnungsbehandlung direkt zurück in ihr „altes Leben“, wo eine abstinente Lebensführung oft misslingt. Bisher gab es in der „Reha-Landschaft“ kaum spezifische Angebote für Menschen mit stoffgebundenen Abhängigkeiten mit dem Schwerpunkt „Berufliche Integration“.
Zunächst im Fokus: Crystal Meth-Abhängigkeit
Das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) Plauen mit seiner Außenstelle in Gera bietet seit 26 Jahren berufliche Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit psychischen Erkrankungen an. Immer wieder waren auch suchtkranke Menschen unter den Teilnehmenden der Maßnahmen. „Uns ist aufgefallen, dass diese Menschen den Ansprüchen der üblichen beruflichen Rehabilitationsleistungen oft nicht gewachsen sind“, so BTZ-Leiterin Corina Gerling.
In Sachsen hatte zudem in den Jahren zuvor der illegale Rauschmittelkonsum stark zugenommen – mit Crystal Meth als hauptsächlich konsumierte Droge für mehr als die Hälfte aller stationären Behandlungen. „Deshalb haben wir zunächst ein spezifisches und innovatives Konzept für die berufliche Rehabilitation von Menschen mit einer Crystal Meth-Abhängigkeit entwickelt“, so Corina Gerling.
Öffnung für weitere stoffgebundene Abhängigkeitserkrankungen
Die Expert*innen des BTZ konnten aber beobachten, dass vergleichbare Beeinträchtigungen der Teilnehmenden im dreijährigen Crystal Meth-Projekt und ähnliche Wirkfaktoren auf nahezu alle anderen Teilnehmenden mit stoffgebundener Suchtproblematik zutrafen. „Dies und die hohe Wirksamkeit des Suchtkonzeptes hat den Ausschlag für seine Öffnung für Rehabilitand*innen mit stoffgebundenen Abhängigkeitserkrankungen und Doppeldiagnosen gegeben,“ so Erih Novak, Bereichsleiter BTZ der FAW und Suchttherapeut.
Für die erfolgreiche berufliche Rehabilitation von suchterkrankten Menschen können die Expert*innen des BTZ drei Erfolgskriterien benennen: Besondere Rahmenbedingungen in Form eines beruflichen Reha-Konzeptes und Sucht-spezifischer Interventionen, interdisziplinäre Unterstützung – und Zeit. „Nur durch eine konstant professionelle Begleitung und intensive psychosoziale Unterstützung können auch in der beruflichen Reha Rückfälle vermieden und die Erfolge aus der Klinik aufrechterhalten werden“, sagt Erih Novak.
Erfolgsfaktor: Multiprofessionelle Unterstützung
„Unsere Teilnehmenden erleben nach der medizinischen Reha „nüchtern bzw. clean“ die Freuden, aber auch die Frustrationen des (Arbeits-) Alltags. Sie haben oft eine geringe Frustrationstoleranz, kaum Durchhaltevermögen und ein geschwächtes Selbstwertgefühl. Das bedeutet eine große Herausforderung für abhängigkeitserkrankte Menschen“, schildert Karolin Dawert, Leiterin des Suchtprojektes, die Situation. Neben der kontinuierlichen Ausweitung der Abstinenzphasen zählt das Erlernen eines adäquaten Umgangs mit suchtspezifischen Risikosituationen und die Herstellung einer förderlichen Alltagsstruktur mit klaren Regeln deshalb zu den wichtigen Herausforderungen. Häufig leiden die Betroffenen auch unter weiteren Erkrankungen, die die Sucht begleiten. Diese treten oft nach der suchtspezifischen Behandlung massiv in den Vordergrund. Hinzu kommen typischerweise ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus sowie eine eingeschränkte körperliche und psychische Belastbarkeit.
Wegen dieser erschwerten und komplexen Bedingungen benötigen suchterkrankte Rehabilitand*innen i.d.R. mehr Zeit und interdisziplinäre Unterstützung. Die BTZ der FAW leisten dies mit einem multiprofessionellen Team, zu dem neben Ausbilder*innen, Berufstrainer*innen und Sozialpädagog*innen auch Psycholog*innen, Ergotherapeut*innen und Suchttherapeut*innen zählen.
Nachhaltige Erfolge
Die hohe Wirksamkeit des suchtspezifischen Angebotes des BTZ Plauen zeigt auch die Statistik. 70% aller Teilnehmenden, die im BTZ eine Abklärungsmaßnahme absolvierten, konnten im Anschluss an einer Folgemaßnahme am Beruflichen Training (BT) oder einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) teilnehmen. 63% der Rehabilitand*innen gelang nach dem erfolgreichen Abschluss des 11-monatigen Beruflichen Trainings der Schritt ins Arbeitsleben. Und sogar 67% aller jugendlichen Absolvent*innen der 11 bis 18-monatigen BvB-Maßnahme konnten eine Ausbildung beginnen. „Das sind tolle Zahlen – hinter denen viele bewegende, persönliche Geschichten stehen. Wir sind stolz, dass wir diesen Menschen, die mit so großen Herausforderungen zu uns kommen, so effizient helfen können“, sagt Erih Novak.
Öffentlichkeit für das Thema schaffen!
Aus Sicht des BTZ bleibt es wichtig, sowohl Expert*innen aus der medizinischen und beruflichen Rehabilitation, als auch direkt und indirekt Betroffene auf das suchtspezifische Angebot zur beruflichen Teilhabe aufmerksam zu machen. „Das Interesse ist groß. Bei unserer ersten Fachtagung im vergangenen Jahr waren wir überwältigt von den Reaktionen“, erinnert sich Corina Gerling. Deshalb plant das Team um die BTZ-Leiterin bereits eine Fortsetzung im nächsten Jahr.
Weitere Informationen entnehmen Sie bitte unserem Flyer zum Thema Sucht (pdf, 1,36 MB).